Finanzmarkt­­infrastruktur­­gesetz – auch für KMU relevant!

02.07.2018 Pflichten des obersten Leitungsorgans unter FinfraG

Worum geht es?

Als Folge der Finanzkrise vor bald zehn Jahren sind weltweit bereits unzählige neue Gesetze verabschiedet worden, alle mit dem Ziel, die Finanzmärkte transparenter und stabiler zu machen und damit das Risiko eines erneuten Zusammenbruchs des Finanzsystems zu reduzieren. Mit dem Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) folgt die Schweiz den Beispielen aus der EU und den USA und reguliert den Handel mit OTC-Derivaten. Das Gesetz und die Ausführungsbestimmungen in der Finanzmarktinfrastrukturverordnung (FinfraV) führen diverse neue Pflichten ein, welche es beim Derivatehandel zu beachten gilt.

Wer ist betroffen?

Betroffen von den Bestimmungen zum Derivatehandel sind grundsätzlich alle im Schweizer Handelsregister eingetragenen Rechtseinheiten – also auch KMU, selbst wenn sie gar nicht mit Derivaten handeln. Unabhängig von der Rechtsform unterscheidet das Gesetz verschiedene Kategorien von sogenannten «Gegenparteien»: Als Finanzielle Gegenparteien («FG») gelten Unternehmen der Finanzbranche im weiteren Sinne wie Versicherungen, Banken und Vorsorgeeinrichtungen. Alle anderen Rechtseinheiten fallen in die Kategorie der Nichtfinanziellen Gegenparteien («NFG»). Bei beiden Kategorien gibt es jeweils die Unterkategorie der «kleinen» Finanziellen Gegenparteien («FG-») resp. der «kleinen» Nichtfinanziellen Gegenparteien («NFG-»). Diese Unterkategorien zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Durchschnittsbruttopositionen aller ausstehenden OTC-Derivatgeschäfte unter gewissen Schwellenwerten liegen.

Pflichten nach FinfraG

Der Umfang der neu eingeführten Pflichten ist nach Unternehmenskategorie abgestuft und von der Kategorie der Gegenpartei, mit der ein Derivatehandel abgeschlossen wird, abhängig. Je nach Kategorie und nach Art der gehandelten Derivate sind verschieden stark ausgebaute Abrechnungs-, Melde-, Risikominderungs-, Plattformhandels- und Dokumentationspflichten zu erfüllen.

Was ist zu tun?

In einem ersten Schritt sollte jedes KMU eine Selbsteinstufung hinsichtlich ihrer Klassifizierung vornehmen. Grundsätzlich dürften KMU nicht unter die gesetzliche Aufzählung der «Finanziellen Gegenparteien» fallen und daher als «Nichtfinanzielle Gegenpartei» gelten. In Anbetracht der hoch angesetzten Schwellenwerte ist davon auszugehen, dass sich die allermeisten KMU als «kleine Nichtfinanzielle Gegenparteien» qualifizieren.

Weiter hat sich das KMU zu fragen, ob es mit Derivaten handelt. Kann diese Frage verneint werden, hat das KMU die Möglichkeit, sich von sämtlichen weiteren FinfraG-Pflichten zu befreien. Dafür hat das oberste Leitungsorgan – also der Inhaber beim Einzelunternehmen, die Geschäftsführung bei der GmbH oder der Verwaltungsrat bei der AG – in einem Beschluss schriftlich festzuhalten, dass das KMU als NFG-klassifiziert und dass es auf den Handel mit Derivaten verzichtet. Dieser Verzichtsbeschluss hat grundsätzlich eine zeitlich unbeschränkte Geltung, aber Vorsicht: Die Befreiung von den FinfraG-Pflichten gilt nur, solange effektiv nicht mit Derivaten gehandelt wird. Bereits ein einziges derivatives Geschäft genügt und die genannten Pflichten leben wieder auf.
KMU, welche mit wenigen, «einfachen» Derivaten handeln (beispielsweise zu Absicherungszwecken), haben in einer Dokumentation die Umsetzung der auf sie anwendbaren Pflichten zu regeln. Werden die Derivatgeschäfte mit Schweizer Banken getätigt, haben grundsätzlich diese die FinfraG-Pflichten wahrzunehmen, mit Ausnahme der Dokumentationspflicht. Das oberste Leitungsorgan des KMU hat somit neben dem Nachweis der Klassifizierung als NFG- in der Dokumentation festzuhalten, wie regelmässig die Selbsteinschätzung als NFG- überprüft und dass ausschliesslich mit Schweizer Banken gehandelt wird und zwar auf Grundlage eines Vertrages, welcher die Anforderungen an die Risikominderungspflichten erfüllt. Allenfalls ist von der Gegenpartei auch eine schriftliche Bestätigung betreffend die gesetzeskonforme Wahrnehmung der Pflichten einzuholen. Verfügt das KMU über eine Revisionsstelle, wird diese die Dokumentation dahingehend prüfen, ob mit dieser die Umsetzung der FinfraG-Pflichten gewährleistet ist.Für KMU, welche einen grossen Bestand an Derivaten haben oder welche nicht ausschliesslich mit Schweizer Banken handeln, empfiehlt es sich, einen Spezialisten für derivative Finanzinstrumente beizuziehen.

In Kürze

  1. Vom FinfraG sind grundsätzlich alle Unternehmen betroffen.
  2. Nichtfinanzielle Gegenparteien, welche nicht mit Derivaten handeln, können sich mittels schriftlich festgehaltenen Verzichtsbeschlusses von weiteren FinfraG-Pflichten befreien.
  3. Wird ausschliesslich mit Schweizer Banken gehandelt, besteht lediglich die Pflicht zur Selbsteinschätzung und zur Dokumentation.
  4. Im Zweifelsfalle ist ein Derivate-Spezialist beizuziehen.

Mehrwert für unsere Kunden

Wir stellen Ihnen gerne ein Muster eines solchen Verzichtsbeschlusses zur Verfügung. Melden Sie sich dazu bei unserem Sekretariat unter michel.heidi@revisia.ch

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