Erste Erfahrungen mit dem neuen Rechnungs­legungsrecht

12.11.2015 Nach mehr als einem halben Jahr intensiver Revisionsarbeit und den ersten Umstellungen der Jahresrechnungen auf das neue Rechnungslegungsrecht gilt es Bilanz zu ziehen.

Sie erinnern sich, wir haben bereits in einem früheren Bulletin darauf hingewiesen, dass alle Unternehmungen spätestens bis 31. Dezember 2015 ihre Jahresrechnungen auf das neue Rechnungslegungsrecht umstellen müssen. Wir haben unserer Kundschaft empfohlen, die neuen gesetzlichen Vorschriften bereits für die Jahresrechnungen 2014 anzuwenden.

Wir konnten bisher feststellen, dass ein Grossteil unserer Revisionskunden diese Umstellung bereits erfolgreich vollzogen hat. Bei unseren Buchführungskunden, bei welchen wir auch die Jahresrechnung im Auftrag des Mandanten erstellen, haben wir bei rund 75% diese Umstellung vorgenommen. In jenen Fällen, bei denen das neue Rechnungslegungsrecht noch keine Anwendung fand, fehlten uns entweder Informationen oder Zahlenmaterial. Es kam auch vor, dass wir die Umstellung aus terminlichen Gründen auf das Jahr 2015 verschieben mussten.

In kurzer prägnanter Form listen wir die Informationen nochmals auf, welche in den neuen Jahresrechnungen enthalten sein müssen (die Auflistung ist nicht abschliessend)

  • Separater Ausweis sämtlicher Forderungen und Verpflichtungen gegenüber Nahestehenden/Organen (Art. 959a Abs. 4 OR)
  • Trennung von Verpflichtungen aus Lieferungen und Leistungen sowie andere Verpflichtungen
  • Klare Gliederung von Bilanz und Erfolgsrechnung gemäss Obligationenrecht
  • Gliederung der Erfolgsrechnung mit Ausweis von Bruttogewinn I und II sowie EBITDA usw.
  • Angabe der Überschreitung von 10 / 50 / 250 Vollzeitstellen
  • Geldflussrechnung und Lagebericht (grössere Unternehmungen, ordentliche Revisionen)

Gliederung der neuen Jahresrechnung

Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Umstellung nicht so kompliziert war. Vor allem bei Kunden, für welche wir die Jahresrechnungen bereits bisher erstellt haben, bewegte sich der Aufwand in erträglichem Rahmen. Unsere Bilanzen und Erfolgsrechnungen waren schon hinreichend strukturiert und enthielten die meisten der neu erforderlichen Informationen.

Wesentlich mehr Aufwand musste bei Kunden betrieben werden, welche ihre Jahresrechnung selber erstellen. Erschwerend kam bei einigen Mandaten dazu, dass die Bilanz und die Erfolgsrechnung aus der Finanzbuchhaltung keine mit dem KMU-Kontenplan übereinstimmende Gliederung aufwies. Hier mussten teilweise Zahlen aufwändig zusammengesucht werden.

Geldflussrechnung

Der Gesetzgeber hat für grössere Unternehmungen vorgeschrieben, dass nebst Bilanz und Erfolgsrechnung neu eine Geldflussrechnung erstellt werden muss. Im Gegensatz zur Bilanz (Stichtagsbezogen) und der Erfolgsrechnung (Gegenüberstellung von Umsatz und Aufwand und Ausweis des Jahresergebnisses) bringt die Geldflussrechnung Transparenz über den Zahlungsmittelstrom (Herkunft und Verwendung von flüssigen Mitteln). Nicht selten führte dies bei Kunden zu Staunen und Verwunderung.

Vereinzelt haben wir kleineren Kunden empfohlen, ebenfalls eine Geldflussrechnung zu erstellen. Es ist auch in kleinen Verhältnissen sinnvoll festzustellen, woher die flüssigen Mittel gekommen sind und wie sie verwendet wurden.

Empfehlungen für die Vorbereitung von Revisionen

Verschiedentlich wurden wir natürlich auch auf den Kostenfaktor dieser Umstellung angesprochen. Einerseits ist es ein Erfordernis, das der Gesetzgeber vorgeschrieben hat. Daran können wir nichts ändern. Andererseits können Sie als Kunde sehr viel zu einer effizienten und kostengünstigen Umstellung beitragen. Wir listen nachfolgend die möglichen Punkte auf:

  • Gliedern Sie die Bilanz und Erfolgsrechnung nach dem KMU-Kontenplan. Damit müssen die Zahlen nicht mehr zusammengesucht werden. Ziehen Sie hierfür Ihre EDV-Beratung bei und nutzen Sie die Gelegenheit den Kontenplan zu bereinigen
  • Automatisieren Sie die Verbuchungen von Debitoren und Kreditoren sowie alle anderen Forderungen und Verpflichtungen gegenüber Nahestehenden und Organen auf separate FIBU-Konti. Das führt dazu, dass Nahestehende und Organe nicht mehr manuell aus den OP-Listen zusammengesucht werden müssen
  • Erstellen Sie eine Geldflussrechnung, welche Ihnen wichtige Zusatzinformationen zum abgelaufenen Geschäftsjahr und Hilfe für zukünftige Entscheide liefert
  • Halten Sie die Angaben zur Anzahl Ihrer Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt bereit (per 31.12.)
  • Bereiten Sie eine Auflistung der stillen Reserven vor
  • Halten Sie die offiziell im Handelsregister publizierten Informationen stets aktuell
  • Führen Sie nach Möglichkeit eine Anlagebuchhaltung
  • Aktualisieren Sie das Aktionärsbuch
  • Protokollieren Sie wichtige Entscheide des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung und erstellen Sie die GV-Protokolle. Händigen Sie diese der Revisionstelle unaufgefordert aus.

Diese Empfehlungen gelten nicht nur für grössere Unternehmungen, sondern werden auch bei kleineren Firmen als sehr sinnvoll erachtet.

Weitere ausgewählte Fragen und Antworten zum neuen Rechnungslegungsrecht

Gründungs- und Organisationskosten

Die Position „Gründungs- und Organisationskosten“ ist nach Anwendung des neuen Rechnungslegungsrechtes nicht mehr zulässig. Entsprechend sind heute aktivierte Beträge zulasten der Erfolgsrechnung abzuschreiben.

Unterstellung neues Rechnungslegungsrecht

Die Bestimmungen zur Rechnungslegung sind neu rechts-formneutral ausgestaltet. Art. 957 OR sieht vor, dass Einzelunternehmen, Personengesellschaften und juristische Personen dem gleichen Rechnungslegungsrecht unterstehen.

Leasinggeschäfte

Grundsätzlich muss zwischen Finanzierungs- und operativem Leasing unterschieden werden. Üblicherweise wird von einem Finanzierungsleasing gesprochen, wenn die Vertragsdauer drei oder mehr Jahre dauert und fix ist, der Leasingnehmer nur beschränkte Möglichkeiten hat, den Vertrag zu kündigen und die Summe der Leasingzahlungen ungefähr den vollen Wert des Leasingobjektes erreicht. Wenn wirtschaftlich betrachtet die Verfügungsmacht beim Leasingnehmer liegt, auch wenn das rechtliche Eigentum am Leasingobjekt nicht an diesen übergegangen ist spricht man von der formaljuristischen Auslegung des Leasinggeschäfts. Unter dieser Betrachtungsweise sind Leasinggeschäfte grundsätzlich zu bilanzieren. Eine Bilanzierung dürfte vor allem beim Finanzierungs-Leasing zur Anwendung gelangen, während die Bilanzierung des operativen Leasings eher unüblich ist.

Auswirkung auf die Jahresrechnung:

  • Sachanlagen im Leasing sind klar getrennt von gekauften Sachanlagen auszuweisen
  • Die Leasingverbindlichkeiten sind – wie alle fremden Mittel – in kurzfristige und langfristige Anteile aufzuteilen (Art. 959a Abs. 2 OR)
  • Im Anhang ist der Gesamtbetrag der Leasingverbindlichkeiten und kaufvertragsähnlichen Leasinggeschäften auszuweisen, sofern diese nicht innerhalb von zwölf Monaten ab dem Bilanzstichtag auslaufen oder gekündigt werden können (Art. 959c Abs. 2 Ziff. 6 OR)
  • Sofern die Leasingverbindlichkeiten gesondert bilanziert sind, kann auf eine separate Angabe im Anhang verzichtet werden (Art. 959c Abs. 2 OR)
  • Im Sinne einer transparenten Darstellung ist der Ausweis sämtlicher Leasingverbindlichkeiten jedoch sinnvoll, also auch der bilanzierten (evtl. mit dem Zusatz „davon in der Bilanz bereits berücksichtigt“)

Langfristige Mietverträge

Langfristige Mietverträge sind wirtschaftlich den Leasingverbindlichkeiten im engeren Sinne gleichzusetzen. Somit sind auch langfristige Mietverträge, welche nicht innerhalb von zwölf Monaten auslaufen oder gekündigt werden können, im Anhang offenzulegen.

Baurechtszins

Ein Baurecht stellt im Prinzip ebenfalls eine Miete dar und ist somit im Anhang offenzulegen. Hier kann wegen der Langfristigkeit allenfalls auf eine Zahlenform verzichtet werden. Eine mögliche Formulierung im Anhang könnte lauten: „Die XY AG hat einen Baurechtsvertrag mit einer Laufzeit bis 30.6.2055 und einem aktuellen jährlichen Baurechtszins von CHF 65‘000 abgeschlossen“.

Weitere Fragen stellen sich insbesondere zu Bewertungsfragen, so die Frage bezüglich der Einzel-, respektive der Gruppenbewertung von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten. Auf die detaillierte Ausführung dieser Thematik verzichten wir an dieser Stelle. Wir stehen Ihnen für einzelne Fragen aber gerne zur Verfügung.

Schlussbemerkungen

Wie Sie sehen, liegen die Herausforderungen des neuen Rechnungslegungsrechts in den Details. Bitte unterstützen Sie uns indem Sie diese notwendigen Informationen für die Revision oder die Abschlusserstellung vorbereiten. Wir können dadurch unsere Arbeiten effizienter ausführen.Die neuen Vorschriften gelten für alle KMU’s. In den nächsten Monaten steht die Umstellung der Jahresrechnungen bei öffentlich-rechtlichen Institutionen auf das neue HRM2 vor der Tür. Dieser Aufwand ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Zu einem späteren Zeitpunkt wird auch über eine Modernisierung der Jahresrechnungen für Vorsorgeeinrichtungen nachgedacht.

Abschliessend gilt festzuhalten, dass der Auslöser für diese Änderungen der Gesetzgeber war. Sie können für Ihre Unternehmung aber mehr Transparenz, bessere Vergleichbarkeit und eine bessere Grundlage für zukünftige Entscheidungen gewinnen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Umsetzung und der Auswertung der zusätzlichen Informationen. Bei Bedarf sind wir Ihnen gerne behilflich.

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